1. Juli 2013

Alles i.O. im Netz?

«Jo, ich has au, s iO». Ja, ich habe sie auch installiert, die neu App von Swisscom. Der neuste Streich des Marktführers kommt etwas spät. Whatsapp, Skype, Messenger, iMessage tun seit Jahren ihren Dienst. Trotzdem bin ich neugierig. Verlockend scheint das Angebot. Offen, nicht nur für Swisscom Kunden, gratis, der Datenschutz wird gross geschrieben. Also alles i.O.?

Nicht ganz. Was wir hier erleben ist die vertikale Integration im Internet. Dank Breitband können viele klassische Telco-Dienste von Drittanbietern übernommen werden. Die Marge des ehemaligen Monopolisten und heutigen Oligopolisten gerät unter Druck. Mehrwertdienste müssen also her. Mehrwert bezieht sich dabei auf Kundennutzen – meint aber mindestens ebenso die Gewinnmarge des Providers. Das ist legitim, so lange dies nach marktwirtschaftlichen, wettbewerbsrechtlich fairen und nicht diskriminierenden Methoden erfolgt.

Damit sind wir mitten im Thema der Netzneutralität. Schleichend werden eigene Dienste und solche von Partnern auf den Netzen der Provider privilegiert behandelt. Meist geschieht dies zwar noch über ökonomische Anreize für die Kunden, ohne dass Dienstleistungen von Wettbewerbern technisch behindert werden. Der Schritt dahin ist aber klein. Stellen wir uns einfach mal vor, dass eine Whatsapp Message nicht mehr oder nur verzögert ankommt oder dass Gespräche über Skype eine hohe Latenz aufweisen, während über iO fast normales Telefonieren möglich ist. Genau dies wird geschehen, wenn man die Märkte, die den Charakter von natürlichen Monopolen haben, sich selbst überlässt.

Dienste wie VoIP sind auf wenig Latenz und hohe Bandbreite angewiesen, andere Dienste wie Email hingegen nicht. Es ist also nur logisch, wenn man im Sinne der effizienten Nutzung diesen Diensten unterschiedliche Prioritäten zuweisen würde und dass dieses Mehr an Qualität einen höheren Preis rechtfertigt. Als liberal und marktwirtschaftlich denkender Ökonom teile ich diese Ansichten. Mit derselben ökonomischen Logik weise ich aber darauf hin, dass monopolistische Situationen zu Überrenditen für den Anbieter und gleichzeitig zu volkswirtschaftlichen Nachteilen führen. Und genau in diesen Situationen muss reguliert werden, sei es über Selbstkontrolle oder gesetzliche Massnahmen. Regulation ist nie perfekt, aber eine einmal etablierte monopolistische Situation wieder rückgängig zu machen, ist fast unmöglich. Wählen Sie selbst, was das kleinere Übel ist.

Dr. Thomas Flatt ist Präsident swissICT

(Erschien 06.07.2013. «Seitenblick» ist eine monatliche Kolumne von swissICT-Exponent/innen. Sie wird veröffentlicht auch im swissICT-Magazine)

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